Freitag, 4. Januar 2008

dank für die Photos an Ansgar!

http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,526408,00.html


The germans got the watches – the indians got the time. Also dauert es gut eine halbe Stunde, in der ich gespannt jede Rikshaw beschaue und jedes Taxi. Und einige Stewardessen in Sarees, rein aus kulturellem Interesse. Sari schreibt sich bloß in einigen Läden in Chennai Saree, genauso wie ich gestern ein Geschäft mit der beinah selbstironischen Aufschrift „Clotheezzz“ gesehen habe.

Ein anderer Weißer, den ich im Flughafen gesehen habe verlässt den Flughafen, man betrachtet sich kurz, geht auf einander zu, erkundigt sich, ob der andere zurechtkäme, man ihn irgendwo mit hinnehmen solle, aber es stellt sich heraus, dass wir beide ganz gut klar kommen. Schließlich hält einige Meter entfernt und laut hupend – was hier an sich keine Besonderheit ist – der kleinste je gebaute Suzuki an, zwei Bleiche grinsen mich an, der eine ist sogar doof genug meinem ewig schweren Koffer zum Auto zu tragen, das ist dann also Götz, mein damaliger Nachfolger aus der Handelskammer, der im Moment in Bangalore ein Praktikum absolviert. Der andere ist Ansgar und seine Firma stellt ihm den Suzuki. Ansgar ist Bauingenieur und viel wichtiger für das Leben hier ist er immer die Ruhe in Person.

Wir fahren also vom Flughafen weg und es beginnt zugleich das nächste Abenteuer. Ansgar hat in meiner vierzehn-monatigen Abwesenheit die Stadt offensichtlich ziemlich gut kennengelernt, zumindest so gut, dass er sich zutraut, ohne jeden Stadtplan aus dem Flughafen im Süden der Stadt bis in das leicht nördliche Zentrum zu fahren. Sein Trick, den er mir später verrät, ist es, dass die meisten Straßen hier gerade sind. Aha, Herr Bauingenieur. Wir fahren durch kleine lehmige Straßen, unterhalb der Fly-overs und vorbei an den Hütten, die so erscheinen, als seien sie nur aus Bananenpalmenblättern gebaut. Immer wieder ist Schritttempo gefordert, weil sich der Suzuki durch Schlaglöcher quälen muss, in denen er beinahe selbst versinkt. Währenddessen läuft im Auto eine von Ansgar verloren geglaubte Audio-Kassette mit einer Art afrikanischer easy-listening Folklore, die wir wiederentdeckten, als wir den Kofferraum beluden... Das leichte Klimpern der Musik führt die ganze Situation ad absurdum, weil das Leben draußen alles andere als Leicht erscheint. Mir fallen die etlichen Diskussionen ein, die ich Deutschland führte, ob nämlich Indien und China demnächst einmal das zumindest wirtschaftliche Zentrum der Welt darstellen und wer diese Stadt sieht, müsste genauso wie ich es tue, ein wenig darüber schmunzeln. Nicht, dass nicht etwa an jeder Ecke Straßen renoviert und neue Häuser gebaut würden. Und ohne Zweifel sind sämtliche weltweit bekannten Unternehmen nicht bloß mit ihren Waren und riesigen Werbetafeln auf dem Markt vertreten, sondern mit eigenen Produktionen. Der Gesamteindruck lässt aber auf alles andere schließen, als auf ein zukünftiges wirtschaftliches Zentrum der Welt. Ich habe bisher kein Land der sogenannten „Dritten Welt“ in meinem Leben gesehen, wahrscheinlich sind damit solche gemeint, die diesen Industrialisierungschritt noch nicht vollzogen haben oder noch nicht einmal damit begonnen haben. Aber zumindest in Chennai und Mumbai erinnert jede verfallene Mauer, Bananenhütte, jedes Hausgerüst aus Bambus und eben auch die bettelarmen Männer in Röcken auf der Straße daran, dass diese Zeit in Indien nicht lange her ist und sicher in sehr vielen Bereichen noch immer sehr präsent ist. Frauen, die die Ziegelsteine auf den Baustellen auf dem Kopf tragen, alte Menschen, die auf Fahrrädern mit einem Korb vorne darauf Baumaterialien zuliefern. Diese Herkunft kann Indien nicht verleugnen und man muss sich hier keine Glaskugel kaufen, um zu erfahren, dass sich das so schnell nicht ändern lässt. Auf der anderen Seite würde ich hier sonst aber ganz sicher auch nicht leben wollen, da wahrscheinlich das Leben auf den Straßen abnähme, die Menschen ihre Unbefangenheit verlören.

Wir verfahren uns auf dem Weg nach Hause mehrmals, meine ausgedrückte Bewunderung, dass sich Ansgar mit dem Auto hier zurechtfindet, war leicht verfrüht, wobei ich sicher nicht ansatzweise die Richtung zu seinem Haus gefunden hätte. Dort angekommen ist es derselbe Eindruck wie bei meiner ersten Ankunft. Ein kurzer Schock bei dem Blick auf die Straße und die Erleichterung beim Betreten der Wohnung, die wirklich nichts zu wünschen übrig lässt. Der Toaster, den ich mitgebracht habe ist eines der wenigen Utensile, die hier noch gefehlt haben. Drei Schlafzimmer, jeweils mit Bad, ein großes Wohn- mit angrenzendem Esszimmer. Eine Treppe führt hinauf zu zweien der Schlafzimmer und dort gelangt man über den Flur auf eine herrliche Dachterrasse, die mir wesentlich mehr bedeutet, als jede Klimaanlage, solange denn auch ein Ventilator im Zimmer ist.

Leider muss Ansgar um circa neun Uhr zur Arbeit und so muss er erst einmal beim Frühstück auf das ein oder andere Glas Import-Whiskey verzichten, das Götz und ich aber aus kamaradschaftlicher Verbundenheit für ihn mittrinken. Das letzte Mal war ich mit Götz in Kreuzberg nach einer Alumni-Veranstaltung der Handelskammer unterwegs. Nicht gerade selten höre ich mich „ich glaub es einfach nicht“ sagen. Mein Horizont ist für gewöhnlich derart beschränkt, dass ich nur das Leben wahrzunehmen vermag, dass sich vor meinen Augen abspielt. Wenn ich also nach Köln oder Oldenburg gefahren bin, dann weiß ich zwar, dass auch ohne mich, das Leben dort fortschreitet, aber das Leben an einem bestimmten Ort fühle ich gerade nur dann, wenn meine fünf Sinne die Stadt wahrzunehmen beginnen. Es ist natürlich nicht sonderlich schwer, sich in Abwesenheit das Leben vorzustellen, es sich auszumalen. Chennai, das zumindest ein paar Monate lang einmal meine Heimat war, ist selbstverständlich extremer. Nicht nur, dass ich den Kontakt und die Erzählungen aus Fernweh etwas gemieden habe. Aber obwohl ich das Leben hier kannte, gebietet einem die Vernunft und das tägliche Stadtbild in Hamburg erhebliche Zweifel daran, dass eine so andersartige Welt tatsächlich existiert. Meine vorherigen Ängste weichen der Freude, wieder hier zu sein, bei meinen Freunden, in dieser Stadt, bei dem Wetter, den Menschen auf der Straße und ich erreiche sogar morgens um acht einige meiner anderen früheren Freunde und Bekannten aus Chennai und Mumbai.

Ansgar fährt zur Arbeit, Götz und ich mit der Rik ins Einkaufszentrum, weil ich dringend andere Hosen brauche. Dort angekommen bemerken wir, dass die Geschäfte erst gegen zehn Uhr nach und nach öffnen, unterhalten wir uns in aller Ruhe einige Zeit auf dem Parkdeck. Die Sonne scheint, es ist der 31. Dezember 2007, es sind bestimmt 30 Grad im Schatten. Die Einkaufstour verläuft wie üblich: man schlägt sich an den Kashmereverkäufern vorbei, lässt sich in den kleinen Läden im Einkaufszentrum Fotokameras und alles mögliche andere vorführen, im Jeansgeschäft kaufe ich mir eine Hose, ein Unterhemd, dass unbedingt notwendig unter den Hemden zu tragen ist, wenn man das Hemd nicht allzu gerne als zweite Haut tragen möchte. Den Weg zur Kasse verbauen mir circa zwölf Verkäufer, die Lunte riechen und mir weitere Hosen, Shirts und was weiß ich noch anbieten. Danach geht es in die Handelskammer auf eine kurze Begrüßung unseres ehemaligen Chefs und der Mitarbeiter, die auch gleich etwas zu essen für uns mitbestellen möchten. Wir lehnen freundlich ab, weil wir noch andere Pläne geschmiedet haben, unterhalten uns aber nett und man fühlt sich, als wär man nie weg gewesen.

Die nächste Fahrt ist wunderschön und zwar stoppen wir wie schon 150 Male gemeinsam zuvor eine Rik vor der Handelkammer und plappern beide gleichzeitig auf den Fahrer ein: „Adyar, Adyar, Indra Nagar, Indra Nagar, Watertank, ha, Watertank, ha, Adyar, Indra Nagar, how much? No no, no tourist, we go every day, every day, 60 Rupees“. Der Fahrer kennt das Spiel, tut beleidigt, wirft den Motor an, dreht sich aber noch einmal um, schlägt uns einen anderen Preis vor, jetzt sind aber wir schwer beleidigt, bewegen uns von der Rik weg, sagen etwas wie “70 Rupees, final, 70, final”, er schüttelt den Kopf (das heißt nein) wir gehen, er ruft uns „80 Rupees“ zu, „75?“ lautet unsere Antwort und er schüttelt wieder den Kopf, dieses Mal bedeutet das „ja“.

Den Weg aus T.Nagar nach Indra Nagar bestimmen die Rik-Fahrer jedes Mal neu, man freut sich, wenn man einige Ampeln, an denen stark gebettelt wird, bei Grün mitnimmt, die Stadt zeigt wieder einige Veränderungen auf, neue Häuser, vor allem aber neue Baustellen. Wir kommen in Adyar an, ich sehe die Restaurants, in denen wir waren (Sanghitha, ein günstiges Veg-Restaurant), wir biegen wie immer von der LB Road Richtung Indra Nagar ein, fahren an dem widerlichen Burger-Laden vorbei, bei dem wir so oft bestellt haben, weil man ein wenig heimatliches Essen brauchte, passieren Cafe Coffee Day, in dem ich mit Parin beinahe jeden Tag saß, mein Fitnessstudio und den Supermarkt unten an der Ecke, in dem zwanzig kleine Mädchen mit vorstehenden Zähnen, kunstvoll geflochtetenen Haaren und einem so würdevollen Blick arbeiten, dass ich dort immer wieder hingegangen bin, notfalls unter dem Vorwand, einfach eine Flasche Wasser kaufen zu wollen.

Hinter dem Haus, in dem Götz und ich gewohnt haben, ist ein gut zwanzig geschössiges Haus entstanden. An damalige Bauarbeiten können wir uns nicht erinnern. Neben uns hält eine Rik und Rebecca, ein indisches Mädchen, dass ich damals kurz vor meiner Abreise kennenlernte und mit ihr über die Zeit hinweg per Email, Telefon und Sms in Kontakt geblieben bin, steckt ihren Kopf heraus. Götz und ich versuchen wegzulaufen, nein, quatsch. Dass sie uns dort trifft ist weniger Zufall als vielmehr eine kleine Lücke in meiner obigen Geschichte, aber ansonsten wahren, Geschichte. Eigentlich waren wir im Cafe Coffee Day verabredet, Götz und ich hatten aber vorher eben andere Pläne. Es ist auch nicht ganz so schwer, zwei Weiße in Chennai aufzustöbern. Wir reden also kurz wegen der Sylvesterpläne, wobei Sylvesterstimmung bei 30 Grad nicht so recht aufzukommen vermag. Der Rikshaw-Fahrer ist ausgestiegen, beäugt uns leicht skeptisch aber doch freundlich, zumal wir ihn natürlich auch begrüßt haben. Sie muss dann auch weiter, zum Abschied geben wir uns die Hand und selbst das ist für indische Verhältnisse auf der Straße, zumal ja foreigner und modernes indisches Mädchen, recht ungewöhnlich. Wenn ich hier „Indien“ im Allgemeinen schreibe, trifft das in jedem Fall auf Chennai und sicher auch auf sämtliche konservative ländliche Regionen zu. In Mumbai mag das ein wenig anders aussehen, wenn auch nicht grundlegend anders. Götz und ich laufen Richtung Coffee Day, bestellen Tee, bekommen Kekse dazu, die wir nicht bestellt haben und während ich telefoniere diskutiert Götz drei Bedienungen mitsamt dem Geschäftsführer wegen dieses Fehlers freundlich aber bestimmt an die Wand. Ich nehme wahr, dass Tee und Keks jetzt wohl ein Spezialmenu darstellen soll, Götz zeigt, dass wir die Karte nicht einmal angeguckt haben und einfach nur Tee bestellt haben. Jedenfalls interessiert uns dieses Menu nicht. Der Nachbartisch, bestehend aus vier Indern/Inderinnen hat dasselbe Problem gehabt, aber eben keinen Götz, der sich durchsetzt und ihnen anschließend empiehlt, sich wegen Rassissmus erst recht zu beschweren, da wir im Gegensatz zu den Indern die Kekse schließlich doch nicht zu bezahlen haben. Keine zwei Minuten später sitzen wir am Nachbartisch, unterhalten uns nett und machen uns anschließend auf den Heimweg, weil wir der langen kurzen Nacht und dem Frühstück nun doch Tribut zollen müssen, nun müde sind. Daheim angekommen, schlafen wir eine Runde, Ansgar kommt heim, wir duschen, das klingt zweideutig, ziehen uns an, ich mit Jeans und T-Shirt, Ansgar mit Polo-Hemd und Seitentaschenhose und Götz mit dicken Ledertretern, Khakihose, Hemd und Jacket. Wer von uns richtig liegt, konnten wir über den Abend hinweg leider nicht ausmachen.

Jetzt fass ich mich kurz: die Fahrt zur der Strandparty dauert ewig, die Straßen sind stickig und überfüllt, unser Rikshaw-Fahrer hat gute Reflexe, der Motoradfahrer neben uns nicht und rast frontal auf einen vor uns bremsenden Bus.

Am Strand angekommen, finden wir das Bella Ciao, der Eintritt ist völlig überzogen, zur Begrüßung gibt es einen Shooter, dann ein Buffet, Bier, es sind eindeutig zuviele Weiße und vor allem Deutsche da, dafür aber auch richtig nette Inder, lauter westlicher RnB und HipHop, Schwarzlicht, alles natürlich im Freien, wir werden jeder Menge Leute vorgestellt.

Das Ganze endet in der Nähe vom Strand, die Jungs bleiben bis 10 Uhr morgens bzw. der andere bis 10 Uhr abends noch da. Ich muss mich jetzt aber mal duschen, Ansgar zum Mittagessen treffen, dann Fußballspielen mit Hudson, einem Deutsch-Tamilen, der gerade Referendar bei der Handelskammer ist. Für mein Brüderchen, das nicht lesen kann (dafür aber jede Menge Bücher nach Australien geschickt bekommen möchte) heute ein paar Bilder.

Bis bald


2 Kommentare:

pmirecki hat gesagt…

Ganz gross, das mit den bildern...Folklore schreibt man mit V. oder so...
wohl kann ich nihc lesen.
und wenn du nochmal sowas langes schreibst, dann zensier ich die haelfte, oder eroeffnen ne neuen blog, "tamilyo in 2 saetzen"...maren kennt garnicht soviele woerter wie du schreibst, drum bitte kuerzer.
MFG oder auh FMG

MiamiJan hat gesagt…

ich fasse es einfach nicht... das ist so unglaublich wie geil echt !!!

jetzt bringt ht ein brettspiel raus und du bist nicht da :D :D :D :D